Bescheidenheit ist nicht die Stärke dieses Fahrzeugs.

Hubraum, Motorsound, Reifendurchmesser, Verbrauch – alles ist gigantisch und respekteinflößend an Christoph Karles „American LaFrance“. Einen Dinosaurier nennt der 52-Jährige aus Ludwigshafen am Bodensee das amerikanische Ungetüm von 1923, das in seinem ersten Leben mal ein Feuerwehr-Auto war. Schon damals soll es nicht unüblich gewesen sein, die kettengetriebenen Fabrikate der „American LaFrance Fire Engine Company“ in Sportwagen umzufunktionieren. Der Rahmen wurde gekürzt, die Ausstattung reduziert – fertig war der „Speedster“ für motorsportliche Veranstaltungen aller Art. Christoph Karle und ein paar Freunde folgten dieser Tradition erst vor drei Jahren, nachdem sie sich drei marode Feuerwehr-Dinos aus den USA kommen ließen. Aber auch nach der elfmonatigen Verwandlung zum Speedster bleibt es dabei: Dieses Auto ist ein archaisches, spritvernichtendes Monster. Aber gerade das macht die Sache so reizvoll.

Drei Scheunenfunde aus den USA haben Freunde und ich 2017 gekauft und sie dann innerhalb von elf Monaten aufgebaut.

Deshalb habe ich ihn:

Ich bin schon eine ganze Weile in der Oldtimerszene aktiv, war zum Beispiel Vorsitzender des örtlichen Oldtimer-Vereins. Irgendwann kam zu unseren Treffen eine junge Dame, die den American LaFrance ihres Vaters ausgefahren hatte. Die schiere Größe und der Kettenantrieb haben mich fasziniert. Das ist schon eine echte Höllenmaschine. So geisterte der Wagen viele Jahre in meinem Hinterkopf herum. Irgendwann hatte ich eine Begegnung mit zwei weiteren Fahrzeugen dieser Art. Ich freundete mich mit den Eigentümern an, denen ich irgendwann beichtete: „Wenn es mal wieder einen verrotteten LaFrance gibt, hätte ich Interesse.“ Er müsste vollständig sein, aber in schlechtem Zustand, so dass er als Feuerwehrfahrzeug nicht mehr einsetzbar ist. Das war für mich wichtig, weil ich einen zweisitzigen Speedster draus machen wollte und es wäre schade gewesen, wenn ich eine gute Substanz zerstört hätte. Wir sind jetzt eine ganze LaFrance-Clique. Drei Scheunenfunde aus den USA haben Freunde und ich 2017 gekauft und sie dann innerhalb von elf Monaten aufgebaut. Mein Wagen war zuletzt 1973 oder 1974 in Massachusetts für die Feuerwehr im Einsatz. Dann stand er zusammen mit den beiden anderen in einer Scheune und hat vor sich hin gerostet. Die erste richtige Ausfahrt haben wir vom Bodensee zu den „Classic Days“ auf Schloss Dyck im Rheinland unternommen. Auf eigener Achse. Ein echtes Erlebnis.

Er eignet sich auch nicht zum Spritsparen. Der Verbrauch liegt bei 35-40 Litern auf 100 Kilometer. Aber jeder Liter ist es wert.

 

 

 

Das kann er

Er kann beeindrucken aufgrund seiner schieren Größe und den Blick lenken auf die urtümliche Technik. Man sieht den Kettenantrieb arbeiten und auch die Ventilstößel. Das ist schon faszinierend, vor allem in Verbindung mit dem Sound des Motors. Wenn ich unterwegs bin, gebe ich schon von Weitem einen akustischen Eindruck von der Kraft und den Ausmaßen dieses Fahrzeugs. Er kann auch flotter fahren, als mancher denkt. Wir haben den Kettenantrieb optimiert, so dass das Auto jetzt zwischen 110 und 115 Stundenkilometer schafft. Aber die Reisegeschwindigkeit liegt nur leicht über der eines Lkw. Die Autos mit ihren Sechs-Zylinder-Motoren mit 14,5 Litern Hubraum (die Zylinder sind groß wie Eimer) und etwas mehr als 100 PS waren und sind sehr zuverlässig. Die Motoren mussten ja laufen wie stationäre Motoren, weil sie auch die Pumpen anzutreiben hatten. Es gibt sowohl eine Magnetzündung als auch eine elektrische Zündung, sodass man das Aggregat auf alle Fälle starten kann. Die großen Motoren waren praktisch unkaputtbar.

Mit dem LaFrance wollen wir unbedingt mal zur Mille Miglia in Italien fahren – als Zuschauer, nicht als Teilnehmer. Ansonsten gilt: Fahren und das alte Material erhalten. Der Exotenstatus dieses Autos ist pure Freude.

Das kann er nicht:

Bergsprint und Slalom sind nicht so seine Stärken. Auf ebenen Landstraßen mit langgezogenen Kurven macht er sich aber sensationell. Er eignet sich auch nicht zum Spritsparen. Der Verbrauch liegt bei 35-40 Litern auf 100 Kilometer. Aber jeder Liter ist es wert. Weil die Kette regelmäßig geschmiert werden muss, ist der LaFrance kein Garant für saubere Hände und Klamotten. Er muss praktisch ständig gewartet, geschmiert und mit Wasser befüllt werden. Bei jeder Ausfahrt ist man in irgendeiner Art beeinträchtigt. Ob das eine Schwäche ist, weiß ich aber nicht. Es macht nämlich auch viel Spaß.

Man sieht den Kettenantrieb arbeiten und auch die Ventilstößel. Das ist schon faszinierend, vor allem in Verbindung mit dem Sound des Motors.

Das habe ich für ihn getan:

Mechanik, Motor, Getriebe, Achsen – das alles hat schon am Anfang funktioniert. Der Rest hat sich aber stark verändert. Die originale Pritsche für Material und Personal haben meine Frau und ich entfernt. Stattdessen befinden sich hinten nun eine Sitzbank, der Benzintank, in dem früher der Löschschaum gemischt wurde, und zwei Ersatzräder. Die Sitzbank haben wir 40 bis 50 Zentimeter niedriger gelegt, weshalb wir auch das Lenkrad senken mussten. Der Tank wiederum wurde höhergelegt, weil er keine Benzinpumpe hat. Das alles befindet sich auf einem braunen Gebälk. Den Rahmen haben wir aber nicht gekürzt, anders als bei vielen LaFrance-Speedstern üblich.

Die Kühlerfigur Christopherus gab es früher natürlich nicht bei dem Wagen. Aber bei meinem Vornamen passt das und ich hatte die Figur schon gekauft, bevor ich das Auto hatte.

Die Kühlerfigur Christopherus gab es früher natürlich nicht bei dem Wagen. Aber bei meinem Vornamen passt das und ich hatte die Figur schon gekauft, bevor ich das Auto hatte.

Die stählernen Teile haben wir gebürstet, mit der Flex bearbeitet und mit Klarlack lasiert. Der Look ist jetzt zwar rusty, aber nicht gammelig. Ich wollte das Urtümliche, das Pure hervorheben. Ich bin gelernter Feinmechaniker, daher wahrscheinlich mein besonderer Umgang mit Stahl. Es passt aber auch zu diesem Dinosaurier, finde ich. Unsere Clique hat an allen drei Autos gleichzeitig gearbeitet – in einer Scheune bei Ravensburg. Jeder hat jedem geholfen.

Steffi und Christoph Karle bei einer Ausfahrt in den Bergen

 Das haben wir erlebt:

Ein Highlight war sicher die erste gemeinsame Fahrt mit mehreren „American LaFrance“-Fahrzeugen zu Schloss Dyck im Rheinland. Um Strecke zu machen, sind wir viel auf der Autobahn unterwegs gewesen, plus Teamfahrzeug und Abschleppfahrzeug. Die anderen Leute haben uns wie verrückt fotografiert. Man spürt schon, was man nach so einer Fahrt geschafft hat, das geht schon in die Arme. Dazu kamen noch ein paar Zwischenfälle. In Pforzheim mussten wir an der Tankstelle zum Beispiel ein dreiteiliges Holzspeichenrad wechseln, Kupplungsprobleme gab es auch. Aber bei der langen Strecke relativiert sich das alles, schließlich sind es auch fast 100 Jahre alte Autos.

American LaFrance Speedster Typ 75 beim Großen Preis von Wertach – vielleicht sieht man sich ja auch beim Jubiläumstreffen „100 Jahre Avus“ in Berlin. Mehr Infos gibt es hier: www.facebook.com/Avus100.

Das haben wir vor:

Ich hoffe, dass nach Corona die Oldtimer-Szene schnell wiedererwacht. Mit dem LaFrance wollen wir unbedingt mal zur Mille Miglia in Italien fahren – als Zuschauer, nicht als Teilnehmer. Ansonsten gilt: Fahren und das alte Material erhalten. Der Exotenstatus dieses Autos ist pure Freude. Auch wenn wir es uns nicht gekauft haben, um damit aufzufallen.

Typ: American LaFrance Speedster Typ 75
Baujahr: 1923
Hubraum: 14500 ccm
Zylinder: 6
PS: 120
Höchstgeschwindigkeit: 115 km/h
Verbrauch: 35-40 Liter

Text: Tobias Christ
Die Fotos hat Christoph Karles  zur Verfügung gestellt.

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