Wolfgang Siebertz und sein Mercedes-Benz 190 DC

Mercedes-Benz 190 DC
Baujahr: 1965
PS: 55
Hubraum: 1974 ccm
Zylinder: 4
Geschwindigkeit max: 125
Verbrauch: Ca. 10 Liter
Gebaute Exemplare: 628282
Neupreis: 10450 D-Mark

Mit Diesel-Motoren hatte Wolfang Siebertz zeit seines Lebens viel zu tun. Sein erstes eigenes Auto war ein Diesel-Mercedes der Baureihe W 110, auch als „kleine Heckflosse“ bekannt. Damit fuhr er von 1979 bis 1983 durch das Bergische Land, wo er aufwuchs, zu Fußballspielen oder mit „den Mädels“ ins Autokino. Später arbeitete der heute 63-Jährige bei der Deutz-AG und wurde Leiter der Motoren-Fertigung in Köln-Porz. Seinen Benz hatte er zu diesem Zeitpunkt längst vergessen. Der war nach vier Jahren intensiver Nutzung auf dem Schrott gelandet. „Wenn Sie nicht blöd sind, kriegen Sie das Ding nicht kaputt. Wie ich das damals geschafft habe, ist mir heute noch ein Rätsel“, sagt Siebertz. Die Jahre vergingen und er verschwendete keinen Gedanken mehr an das schöne, langsame Auto mit dem riesigen Kofferraum. Das änderte sich Anfang 2019, als Wolfgang Siebertz auf der Oldtimer-Messe Techno Classica eine kleine schwarze Heckflosse entdeckte, die der letzte Vorbesitzer nicht nur fein restauriert, sondern auch mit einem Taxi-Schild dekoriert hatte.

 

 

 

 

Der Vorbesitzer des Diesel-Autos spendierte dem Wagen nachträglich ein Taxischild. Denn als Taxi wurde der W 110 früher oft eingesetzt.

Deshalb habe ich ihn:

Ich bin durch Zufall an das Auto gekommen. Mein Freund, der Martin, hat einen VW Käfer, Baujahr 1957. Der rief mich montags an und fragte, ob ich donnerstags mit zur Techno Classica nach Essen fahren will. Er bräuchte einen neuen Außenspiegel. Dann sind wir zwei dahin und haben dort den Mercedes gesehen, der sofort alte Erinnerungen in mir weckte. Das Motorgeräusch war einfach toll. Erst sind wir weiter gegangen, um weiter nach dem Außenspiegel zu suchen. Den haben wir aber nicht gefunden und sind wieder zum Benz zurückgegangen. Über den Preis bin ich mit dem Verkäufer schnell einig geworden, weil ich ihm noch das Angebot machte, zusammen mit Freunden den ersten Motor von Nicolaus August Otto von 1864 bei der Deutz-AG in Betrieb anzuschauen. Da hatte ich schon gewonnen.
Das kann er:
Mit seinen 55 PS und der schweren Stahlkarosserie zieht er keinen Hering vom Teller. Aber genau das ist das Schöne daran. Ich bin eigentlich ein ungeduldiger Autofahrer. Wenn die dritte Ampel nacheinander rot ist, werde ich schon nervös. Mit diesem Auto ist das anders. Ich rege mich nicht auf, sondern fahre gemütlich durch die Stadt oder das Bergische Land. Der Wagen ist für die Nerven gut.

 

Der 55-PS-Diesel „zieht keinen Hering vom Teller“, sagt sein Besitzer. Genau das richtige Auto zum Entschleunigen.

Das kann er nicht:

Sie müssen sich überlegen, wann Sie bremsen. Das ist nicht wie bei den neuen Autos, wo Sie auf die Bremse drücken und das Auto steht. Sie müssen frühzeitig bremsen, das dauert alles ein bisschen länger. Der Wagen ist eben auf dem technischen Stand von 1965. Das Problem ist auch, dass er keine Servolenkung hat. Im Stand zu lenken ist keine Freude. Und wenn nicht irgendwo zwei Parkplätze nebeneinander frei sind, parke ich nicht. Das Ding ist lang und piept nicht. Man kann die Ausmaße ganz schlecht abschätzen. Ich habe mich wohl zu sehr an die modernen Assistenzsysteme gewöhnt.

Das habe ich für ihn getan:

Der Wagen ist rundum hervorragend restauriert worden. Früher war er blau, heute ist er schwarz und hat ein Taxi-Schild auf dem Dach. So sahen die Taxis früher aus. Ich habe nur das alte Autoradio, das irgendein 0815-Radio war, durch ein Retro-Exemplar mit besserem Empfang ausgetauscht. Das hat ein historisches Design, aber eine aktuelle Technik. Die Kabelzugänge vom Motor- in den Innenraum habe ich mit einem Silikonzeug abgedichtet, damit keine Feuchtigkeit eindringt. Auf Rost muss man bei diesem Auto höllisch aufpassen.

Ansteigende Skala anstatt Tachonadel: der senkrechte Tacho des Heckflossen-Benz wird auch Fieberthermometer genannt.

Das haben wir erlebt:

Die Taxifahrer freuen sich, wenn sie mich sehen und fragen mich, ob ich die neuen Tarife schon kenne. In Köln-Deutz wollten auch mal ein paar Mädels vor einem Hotel mitfahren. Da musste ich ihnen leider zu verstehen geben, dass ich kein Taxifahrer bin. Der Verkäufer hat mir versichert, dass ich mit dem Schild fahren darf. Auch die Polizei hat bis jetzt noch keine Probleme gemacht. Nur die zweijährige Tochter meines Bruders stellte sich eines Tages, als ich mit dem Benz beschäftigt war, neben mich und sagte: „Komisches Auto.“
Das haben wir vor:
Nichts Besonderes. Ich fahre damit spazieren und bocke ihn im Winter hoch. Ein Taxi-Unternehmen will ich auf jeden Fall nicht gründen.

 

Aerodynamische Formen kann man dem Mercedes von Wolfgang Siebertz nicht gerade nachsagen. Dafür besticht er durch elegante Heckflossen im Stil der 1960er Jahre.

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