Mabeco – der falsche Indianer

Heute ist die Aufregung groß, wenn es um Markenpiraterie geht. Kommen doch Produkte aus Fernost in den Handel, an denen oft genug sogar die Markenembleme der dreist kopierten Vorbilder originalgetreu nachempfunden sind. Allerdings hat das eine große Tradition. Wie viele findige Konstrukteure gingen im Zeitalter der Industrialisierung aus deutschen Landen nach England, um etwas über die Verarbeitung von Stahl und Eisen zu erlernen? Oder gar über den Webstuhl und die Dampfmaschine? Diese wegweisenden Einflüsse auf die technische Entwicklung lassen sich heute kaum mehr nachvollziehen, sie müssen aber enorm gewesen sein.

Nun, ein besonders schönes Beispiel aus etwas späteren Zeiten haben wir hier vor uns mit dem V2-Motorradmotor von Mabeco aus Berlin.

Max Bernhard & Co., „MaBeCo“, bauten in der Prenzlauer Allee 1922 das erste Motorrad. Professor Bernhard besass damals eine neue amerikanische Indian Scout mit eben einem solchen Motor. Und die Maschine aus Springfield/Massachusetts/USA wurde aufgrund ihrer Qualität rund 250.000 Mal gebaut, Erfolge, die Indian zeitweise zum größten Motorradhersteller der Welt gedeihen ließen. Böse Zungen behaupteten sogar, dass die Indian genau so schön führe wie die Harley-Davidson, allerdings ohne zu klappern und zu rasseln…

Der Mabeco-V2 in der Zylinderhaus-Motorensammlung in Bernkastel-Kues an der Mosel

Max Bernhard war also begeistert und überredete die Ingenieure von Siemens&Halske, den überzeugenden 600ccm-Motor exakt nachzubauen, lediglich mit metrischen Gewinden nach DIN anstatt der amerikanischen UNF-Gewinde mit anderer Steigung und Flankenwinkel. Und weil der Versailler Vertrag nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg die bisherige Produktion von Flugmotoren verboten hatte, griff man zu und machte mit, ganz ohne schlechtes Gewissen, die Siegermächte hielten einen ja schon streng genug an der Kandare.

So entstand die erste Mabeco, die optisch, bis auf einige Modifikationen an der Gabel, völlig identisch zu der Maschine aus den USA daher kam! Bald baute man auch noch mit größerem Hubraum von 750 ccm und das Ding verkaufte sich gut, über 3200 Stück sollen unter die Leute gebracht worden sein.

Aber geht es der Kuh zu gut, dann geht sie aufs Eis… In Zeiten ohne E-Mail und Digitalbild an jeder Ecke hatte man sich darauf verlassen, dass es mit der frechen Kopie schon nicht so auffällt, Springfield war schließlich weit überm Großen Teich.

1925 aber wurden die bisher unscheinbar blassgrün lackierten Maschinen im typischen Indian-Rot ausgeliefert. Das war dann doch nicht mehr zu verbergen und die Indian Motor Company ging auf die Barrikaden. Der Prozess endete zwar in einem Vergleich, aber der Motor durfte von Mabeco nicht mehr gebaut werden. Die Berliner flüchteten sich in ein Projekt mit einem Garelli-Zweitakter von 350 Kubik in Lizenz, aber mal ehrlich: Wer wollte ein Pony, wo er doch soeben noch ein Streitross geritten hatte? Hinzu kam, dass Siemens&Halske ab 1927 wieder Flugmotoren bauen durften und man dort kein Interesse mehr an den Zweirädern hatte.

1928 endete daher die Produktion und Mabeco war Geschichte.

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